Nach dem Schreckensjahr 2022 haben sich die Anleihenmärkte seit dem Jahreswechsel dank der zuletzt nachlassenden Inflation kräftig erholt Aus Anlegersicht stellen sich jetzt viele Fragen: Wie sind die Wachstumsaussichten? Ist eine Rezession immer noch möglich? Haben die großen Zentralbanken die Inflation wirklich besiegt und wie bald werden sie die Zinsstraffung aussetzen oder sogar zu einer Lockerung ihrer Geldpolitik übergehen? Kann die Anleihenrally ungebremst weitergehen und welche Segmente und Regionen sind jetzt attraktiv?

 

Eine ganze Reihe von Faktoren, darunter die Corona-Pandemie und der russische Einmarsch in die Ukraine, hatten die Inflation im vergangenen Jahr auf den höchsten Stand seit mehreren Jahrzehnten getrieben. Inzwischen lässt der Inflationsdruck jedoch nach. Die Güterpreise sinken genauso wie die Energiepreise und auch bei den Dienstleistungspreisen (ohne Wohnpreise) gibt es Lichtblicke. Die Mietpreise sinken, wodurch auch die Wohnpreisinflation nachlassen sollte. In den USA ist der Verbraucherpreisindex zuletzt drei Monate in Folge gesunken. Auch bei den Lohndaten zeichnet sich eine gewisse Entspannung ab.  

Wachstumshintergrund  

Das schwache Wachstum hat die Anleihenrally befeuert. Die Wachstumsgrundlagen sind jedoch nach wie vor gut: Die Verschuldung der privaten Haushalte ist gesunken, die Banken sind in einer guten Verfassung, um Kredite zu vergeben, es gibt keine Anzeichen für eine Finanzkrise und der Arbeitsmarkt ist mehr oder weniger intakt. Es sieht alles danach aus, dass wir auf eine weiche Landung zusteuern. Sollte es doch anders kommen, könnten wir mit einer milden Rezession davonkommen. Tatsächlich rechnen wir ab hier eher mit positiven Wachstumsüberraschungen. Wenn die Inflation nachlässt, wird sich auch das Wachstumsumfeld verbessern, da die realen Einkommen steigen werden.

 

Ein breit angelegtes weltweites Wachstum halten wir jedoch für unwahrscheinlich. Nach ihrer relativ starken Performance im vergangenen Jahr könnte die US-Wirtschaft durch die aggressiven Zinserhöhungen der US-Notenbank (Fed) an Dynamik verlieren. Der durch die Aufhebung der strengen Corona-Beschränkungen ausgelöste Boom im Dienstleistungssektor beginnt ebenfalls abzuflauen, da den Verbrauchern das Geld ausgeht, nachdem die während der Pandemie angehäuften Ersparnisse ausgegeben sind.

 

Andererseits scheinen sich die Aussichten für Europa aufzuhellen, zumal die Energiepreise zuletzt gesunken sind. Wir sehen die Wachstumsaufhellung in Europa als Hinweis auf einen besser synchronisierten und ausgewogeneren globalen Wirtschaftsaufschwung. Das Ende der rigorosen Beschränkungen in China ist ebenfalls positiv für das globale Wachstum.  

Kehrtwende?

Ein langsameres Wachstum in den USA könnte den US-Dollar noch weiter schwächen und die Fed dazu zwingen, ihre aggressive Politik zu überdenken. Eine Belebung des Wachstums außerhalb der USA ist auch positiv für die Schwellenländer.

 

Durch die Pandemie und die geopolitischen Spannungen sind den Unternehmen die Risiken einer zu großen Abhängigkeit von Zulieferern in anderen Teilen der Welt schmerzhaft bewusst geworden. In den kommenden Jahren dürften viele Unternehmen auf der westlichen Halbkugel in den Ausbau ihrer heimischen Produktionskapazitäten investieren. Auch der steigende Verteidigungsbedarf und die dringend benötigten Investitionen in Maßnahmen zum Schutz der Umwelt werden zu höheren Inlandsausgaben führen.

 

Die Anleihenmärkte preisen derzeit Zinssenkungen ein. Wir sehen in den USA aber bislang noch keine Anzeichen für eine Wachstumsabschwächung, die eine Senkung der Leitzinsen rechtfertigen würden. Wir rechnen mit einer ordentlichen globalen Wachstumsdynamik, von der auch die US-Wirtschaft profitieren sollte. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine diesjährigen Wachstumsprognosen bereits leicht nach oben korrigiert. Selbst wenn die USA nicht zu den wachstumsstärksten Märkten gehören sollten, könnte eine Zinssenkung ausbleiben, solange die Wirtschaft einigermaßen gut läuft. Hier könnte sich die Dollar-Schwäche ebenfalls als hilfreich erweisen. In einem derartigen Umfeld ist ein höherer neutraler Zins durchaus vorstellbar, da das aktuelle Zinsniveau nicht als restriktiv betrachtet werden könnte. 

Trendwende 

Wir erleben eine bedeutende Trendwende. Vor Ausbruch der Pandemie wuchsen die USA schneller als der Rest der Welt, der weiter mit einer verhaltenen Wachstumsdynamik zu kämpfen hatte. In einem von niedrigen Wachstums- und Inflationsraten gekennzeichneten Umfeld wollten alle US-Dollar besitzen und Technologieaktien liefen gut. Die Schwellenmärkte hatten mit Chinas Boom in der verarbeitenden Industrie, einem schwachen globalen Wachstum, niedrigen Rohstoffpreisen und der US-Dollar-Verknappung infolge der Reformen im US-Bankensektor und der Entdeckung von Schieferöl in den USA zu kämpfen.

 

Jetzt ist das Gegenteil der Fall. In diesem Umfeld sollten Schwellenländeranleihen, vor allem Lokalwährungsanleihen, gut laufen. Die Dollar-Schwäche wird auch eine Absicherung des Währungsrisikos überflüssig machen. Zudem haben die Zentralbanken der Schwellenländer ausreichende geldpolitische Spielräume, um die Wirtschaft zu stützen, während die Geldpolitik im Westen bis auf Weiteres relativ restriktiv bleiben muss, um die Inflation unter Kontrolle zu halten. Mit seinen massiven Staatsausgaben, gut kapitalisierten Banken und engen Arbeitsmärkten dürfte Europa jetzt der Liquiditätsfalle entkommen sein.

 

Es ist ein bedeutender struktureller Wandel im Gange, der zu einer Underperformance von Staatsanleihen der Industrieländer gegenüber Emerging-Market-Anleihen führen dürfte. Von den Finanzierungsproblemen, mit denen sie sich im Negativzinsumfeld vor der Corona-Pandemie konfrontiert sahen, sind die Schwellenländer jetzt weit entfernt.  

Zinskurve  

Eine nachlassende Inflation sollte zu einer Stabilisierung der Anleihenrenditen am kürzeren Ende der Zinskurve beitragen und die Volatilität reduzieren. Wenn die globalen Wachstumsaussichten zehn Jahre in der Zukunft besser eingeschätzt werden als aktuell, sollte die Zinskurve steiler werden und Anleihen sollten eine höhere Inflationsrisikoprämie einpreisen, die die besseren Aussichten widerspiegelt. Eine lange Duration kann in diesem Umfeld zwar Rendite bringen, aber auch mit einer höheren Volatilität einhergehen. Daher sollten Anleger diesbezüglich vorsichtig vorgehen. Wir glauben, dass Kurzläufer nur momentan Wertpotenzial bieten. Allerdings könnte sich das auch sehr schnell ändern.

 

Außerdem sehen wir Wertpotenzial in den Emerging Markets, einem schwächeren Dollar, steileren Zinskurven und langlaufenden inflationsgebundenen Anleihen. Im Zuge der Wachstumserholung dürfte die globale Inflation auf einem relativ hohen Niveau verharren. Das dürfte die Rally nominaler Anleihen begrenzen.  

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*In Hongkong bezieht sich der Begriff „professionelle Anleger“ auf die Definition der Securities and Futures Ordinance (Kap. 571 der Gesetze von Hongkong) und in Singapur auf „institutionelle Anleger“ gemäß der Definition in Abschnitt 304 des Securities and Futures Act, Kapitel 289 von Singapur.  

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