So viele Überraschungen und unerwartete Wendungen wie in diesem Jahr gibt es an den Anleihenmärkten nur selten.

Nach einem verlustträchtigen Jahr 2022 weckte die kräftige Rally, mit der die Anleihenmärkte ins Jahr 2023 starteten, zunächst größere Zuversicht bei den Anlegern. Für Kursauftrieb sorgten vor allem Spekulationen über ein näher rückendes Ende der aggressiven Zinserhöhungen der Zentralbanken. Der Optimismus hielt jedoch nicht lange an. Neue Hinweise auf eine hartnäckiger als erwartete Inflation verpassten den Märkten schon bald den nächsten Dämpfer.

Mit den Zusammenbrüchen der Silicon Valley Bank (SVB) und der Signature Bank in den USA sowie der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat sich das Makroumfeld jetzt wieder komplett verändert und die Anleiherenditen sinken erneut.

Vor diesem Hintergrund stehen die Zentralbanken vor einer schwierigen Entscheidung: Sollen sie die Zinsen weiter anheben, um die anhaltend hohe Inflation in den Griff zu bekommen, oder ihre Geldpolitik schneller lockern, um die Märkte zu beruhigen?

Die anfängliche Annahme, dass die Inflation im Nachgang der Corona-Pandemie nur vorübergehend erhöht sein würde, hat sich als Illusion erwiesen. Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle, und das Wachstum hat sich trotz gegenteiliger Befürchtungen bisher gut gehalten. In Europa war der Energiebedarf aufgrund des ungewöhnlich warmen Winters zuletzt geringer, während Chinas Wiederöffnung die Nachfrage gestärkt hat. Der Arbeitsmarkt ist weiterhin angespannt.
Die Folgen des Bankenbebens
Risiken für die Finanzstabilität hatten schon immer weitreichende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. In Großbritannien löste Ex-Premierministern Liz Truss erst vor kurzem durch weitreichende Plänen für Steuersenkungen eine Krise der britischen Pensionsfonds mit verbindlichkeitsorientierten Investmentstrategien (LDI) aus, die sie ihr Amt kosteten und von ihrem Nachfolger schließlich gestoppt wurden. Die globale Finanzkrise begann ebenfalls mit Bankschieflagen und gipfelte im Konkurs von Lehman Brothers.

Die Geschichte lehrt uns, dass eine unkontrollierte Bankenkrise die Welt in eine Abwärtsspirale stürzen kann. Ob es sich bei den derzeitigen Turbulenzen in der Branche um Einzelfälle handelt oder ein Domino-Effekt befürchtet werden muss, ist noch nicht klar. Die Aufsichtsbehörden haben jedoch schnell gehandelt, um eine weitreichendere Krise abzuwenden. Die nach der globalen Finanzkrise eingeleiteten Reformen, deren Fokus auf der Solvenz und Liquidität lag, haben ebenfalls dazu beigetragen, die Kapitalbasis der europäischen Banken zu stärken.

Im Fall der SVB werden auch die nicht versicherten Anleger ihre Einlagen vollständig zurück erhalten. Dadurch soll ein Ansturm auf andere kleine Banken ähnlicher Größe verhindert werden. Die Fusion zwischen UBS und Credit Suisse wurde von der Schweizerischen Nationalbank und der Schweizer Finanzaufsichtsbehörde FINMA eingefädelt.

In den USA wurde der Kollaps der SVB durch Mark-to-Market-Verluste im Anleihenportfolio ausgelöst, das in hohem Maße in langfristige Anleihen investiert war. Starke Zinserhöhungen hatten zu einem drastischen Wertverlust der Anleihenbestände geführt, was eine Diskrepanz zwischen Aktiva und Passiva zur Folge hatte. Die Credit Suisse hingegen befindet sich seit Jahren im Niedergang. Durch die jüngste Erklärung des Vorsitzenden der saudischen Nationalbank (eines Großaktionärs der Bank), der jede weitere finanzielle Unterstützung ausschloss, wurde dieser lediglich beschleunigt.

In der Bankenwelt sind die Fundamentaldaten wichtig – Stimmung und Vertrauen aber ebenso.
Restriktivere Finanzierungsbedingungen
Der Kollaps der SVB und der Signature Bank könnte auch eine Einlagenflucht hin zu den sogenannten systemrelevanten Großbanken auslösen. Um einen Massenabzug von Einlagen zu verhindern, werden kleinere Banken ihren Kunden möglicherweise höhere Sparzinsen bieten müssen. Das wiederum wird zu höheren Kapitalkosten für Kreditnehmer und Unternehmen führen. In einer Krise neigen die Banken zumeist auch zu einer größeren Zurückhaltung bei der Kreditvergabe, um ihre Kapitaldecke zu schützen. Diese Probleme könnten weitere Zinserhöhungen der Zentralbanken überflüssig machen, da sich die Finanzierungsbedingungen auch so verschärfen dürften.

Bevor die Probleme der SVB bekannt wurden, hatte US-Notenbankchef Jerome Powell vor dem Kongress erklärt, dass die Endrate des Leitzinses im aktuellen Zyklus höher als zuvor erwartet ausfallen könnte, und eine aggressive Straffung angekündigt, falls die eingehenden Daten einen solchen Schritt unterstützen würden. Durch den Kollaps der SVB und die Fusion von UBS und Credit Suisse haben sich die kurzfristigen Markterwartungen jedoch drastisch verändert.

Im zurückliegenden Jahr sind die Renditen am kurzen Ende der Zinskurve infolge der raschen Zinserhöhungen stark gestiegen. Die Zinsen am langen Ende, die die Markterwartungen an Wachstum und Inflation widerspiegeln, sind hinter den kurzfristigen Zinsen zurückgeblieben. Dadurch ist die Zinskurve invertiert. Seit der SVB-Pleite hat sich die Inversion etwas verringert.
Anhaltende Volatilität und Zinssenkungen zu erwarten
Trotz einer ganzen Serie von Zinserhöhungen ist die Inflation aus Sicht der Zentralbanken immer noch viel zu hoch. Durch strukturelle Verschiebungen in der Weltwirtschaft und das veränderte geopolitische Umfeld wird die Inflation noch länger höher bleiben, als wir es vor der Corona-Pandemie gewohnt waren. Daher wird auch der neutrale Zinssatz, bei dem die Geldpolitik weder stimulierend noch restriktiv wirkt, etwas höher sein.

Dennoch zeigt die aktuelle Bankenkrise ganz klar, dass die geldpolitischen Maßnahmen des vergangenen Jahres beginnen, Wirkung zu zeigen. Unserer Ansicht nach tragen die Zinsen wenig dazu bei, den Zyklus in die eine oder die andere Richtung zu bewegen. Erst wenn etwas kaputt geht, kommt die Kreditvergabe buchstäblich zum Erliegen. Genau das sehen wir aktuell. Wir glauben, dass dies zu einer höheren Volatilität, einem schwächeren Wachstum und einer nachlassenden Inflation führen wird. Bis die Zentralbanken beginnen, die Zinsen zu senken, dürften die Finanzmärkte daher auch im „Risk off“-Modus bleiben.
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