F: Hat Covid-19 zu dauerhaften Veränderungen der Konsumgewohnheiten geführt? Und wie können Investoren von diesen Veränderungen profitieren, zum Beispiel durch Anlagen in bestimmte Branchen oder Themen?
A: Ob die zu beobachtenden Veränderungen der Konsumgewohnheiten von Dauer sein werden, lässt sich unserer Ansicht nach noch nicht sagen. Wir glauben aber, dass die Pandemie die Verlagerung zum Onlinehandel erheblich beschleunigt hat und Auswirkungen auf viele Freizeitaktivitäten hat – bis hin zu so kleinen Dingen wie dem in den USA zu beobachtenden Trend zum häuslichen Cocktail-Abend. Adidas ist ein Unternehmen, das führend in der Verbesserung seiner betrieblichen Abläufe und Vertriebsprozesse durch Digitalisierung ist. Um sich stärker von seinen Wettbewerbern abzusetzen, setzt das Unternehmen künftig weniger auf stationäre Einzelhandelspartner und investiert stärker in eigene Stores, seine Webseite und Apps.

Generell halten wir es für wahrscheinlich, dass die Pandemie einige langfristige strukturelle Wachstumstrends beschleunigen wird. Beispielsweise hat das Online-Banking durch den Trend zum Homeoffice einen deutlichen Wachstumsschub erhalten, Regierungen ziehen Investitionen in die grüne Wirtschaft vor, um die Konjunktur anzukurbeln, und führende Unternehmen dürften die Digitalisierung und Automatisierung ihrer geschäftlichen Abläufe noch schneller vorantreiben als geplant.
Strukturelle Wachstumschancen*
Strukturelle Wachstumschancen*
F: Wo stehen Sie in der aktuellen Debatte über eine mögliche Rückkehr der Inflation? Hätte eine solche Auswirkungen auf die Zusammensetzung Ihres Portfolios?
A: Der globale Wachstumseinbruch hat zu enormen Überkapazitäten geführt, die stark inflationshemmend wirken. Solange sich die Verbraucher und Unternehmen scheuen, neue Schulden aufzunehmen und mehr Geld auszugeben, werden die disinflationären Kräfte weiter die Oberhand behalten. Dies und die höhere Schuldenlast sprechen für ein anhaltend wachstumsschwaches Umfeld. Allerdings könnte sich das ändern, falls die Regierungen umfangreiche, längerfristige Stimulusprogramme umsetzen und die Zentralbanken dazu drängen sollten, sich der Fiskalpolitik weiter unterzuordnen. Wir halten weiter Ausschau nach Unternehmen mit herausragendem Wachstumspotenzial, die unabhängig vom Ausmaß des Inflationsdrucks in der Wirtschaft über Preissetzungsmacht verfügen.
F: Herausragende Wachstumsunternehmen sind rar – welche Unternehmensqualitäten sind für Sie maßgeblich?
A: Wir suchen immer nach Unternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen und Preissetzungsmacht, die in Marktsegmenten mit strukturellem (an Stelle von zyklischem) Wachstum tätig sind und – genauso wichtig – in der Lage sind, ihre überschüssige Liquidität renditestark wiederanzulegen. Solche Wachstumsunternehmen gibt es, aber nicht sehr viele. Unserer Ansicht nach werden derartige Unternehmen aufgrund der inhärenten Kurzfristigkeit der Märkte häufig übersehen. Unser Ansatz stellt darauf ab, von dieser Marktineffizienz zu profitieren. Dafür gibt es keine einfachen Screening-Tools. Um diese Unternehmen zu identifizieren, bedarf es eines qualitativen Ansatzes mit aufwändigen Analysen – zum Beispiel intensiven Gesprächen mit dem Management der Unternehmen, ihren Kunden und Wettbewerbern oder der Entwicklung eigener Modelle.
Quellen nachhaltiger Wettbewerbsvorteile*
Quellen nachhaltiger Wettbewerbsvorteile*
Quellen nachhaltiger Wettbewerbsvorteile, die zu langfristiger Preissetzungsmacht führen, finden sich in vielen Bereichen: Markentreue, geistiges Eigentum, ein wachsendes Netzwerk, exklusive Informationen, innovative Produkte oder auch nur Größeneffekte in Produktion und Vertrieb. Letztlich halten wir Ausschau nach Unternehmen mit differenzierten Produkten, die von ihren Kunden geschätzt werden.

Wir wollen an einer Vielzahl struktureller Wachstumstrends partizipieren. Durch die demographische Entwicklung kann die größere Gruppe älterer Menschen in den westlichen Industrieländern zu einer anhaltend hohen Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen führen, während in den Schwellenländern ein größerer Anteil jüngerer Menschen an der Bevölkerung einen höheren Lebensstandard genießt. Derartige Trends untermauern die langfristige Nachfrage nach Kosmetik, speziellen Brillengläsern, globalen Spirituosenmarken und Luxusgütern. L’Oreal, EssilorLuxottica, Pernod Ricard und LVMH sind vier bekannte europäische Wachstumsunternehmen, die von diesen Trends profitieren. Gleichzeitig können Unternehmen wie Edenred und Experian durch die zunehmende Digitalisierung ihre eigenen, wenig kapitalintensiven Netzwerke ausbauen und Nischen wie die Märkte für Sachbezugslösungen zur Mitarbeiterbindung oder Kreditdienstleistungen dominieren. Durch die große Bedeutung der Energieeffizienz in der Bauindustrie wiederum sind die Dämmmaterialien von Kingspan zunehmend gefragt.
F: Was ist der wichtigste qualitative Auslöser für den Ausschluss eines Unternehmens im Rahmen Ihres Investmentprozesses?
A: Wir versuchen, Unternehmen mit undifferenzierten Produkten und ohne nachhaltige Preissetzungsmacht zu meiden. Unser Ziel ist es, in Wachstumsunternehmen zu investieren, die zu den führenden Anbietern in ihrer Branche gehören und ihre führende Positionierung auf Jahrzehnte hinaus wahren können. Bei Unternehmen, die es auf unsere Auswahlliste möglicher Anlagekandidaten geschafft haben, ist unsere Bewertung der Qualität von Vorstand und Aufsichtsrat ein maßgeblicher Faktor.
F: Wie berücksichtigen Sie in Ihrem Investmentprozess ESG-Erwägungen?
A: Die Identifizierung von ESG-Risikofaktoren ist eine wesentliche Voraussetzung für ein gutes Verständnis der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen – und auf diesem basiert unsere Anlagephilosophie. Wir legen den Fokus auf die Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle einschließlich wesentlicher umweltbezogener und sozialer Faktoren. Wir stehen im engen Austausch mit unserem ESG-Team, sowohl über mögliche Anlagekandidaten als auch über die Unternehmen in unserem Portfolio. Wir üben unsere Stimmrechte aus und führen einen konstruktiv-kritischen Dialog zu wichtigen Themen mit den Managementteams der Unternehmen, um positive Veränderungen im Interesse aller Stakeholder zu bewirken, und halten keine Positionen in Unternehmen, bei denen wir wesentliche Bedenken in Bezug auf die langfristigen Auswirkungen von ESG-Risiken haben. Wir achten auf die Nachfolgeplanung, die Anreize für Führungskräfte und die Orientierung an den Interessen der Aktionäre. Wir sind weder ‚Aktivisten‘ noch passive ‚Abhaker‘ – durch laufende Monitoring-Aktivitäten und regelmäßige Meetings pflegen wir seit vielen Jahren konstruktive Dialoge zu ESG-Themen mit Unternehmen.
F: Was spricht auf Sicht der nächsten zwölf Monate für europäische Wachstumswerte?
A: Wir Menschen wollen immer wissen, was auf uns zukommt. Aber, wie schon der Physiker und Nobelpreisträger Nils Bohr so treffend feststellte: ‚Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.’ Ähnlich freimütig würden wir Ihre Frage so beantworten: Was für europäische Wachstumsaktien spricht – ob auf Sicht der nächsten zwölf Monate oder Jahre -, ist vor allem, dass es Wachstumsaktien sind. Angesichts des wachstums- und inflationsschwachen Umfelds in Europa sollten derartige Anlagewerte weiter an Attraktivität gewinnen.

Unser Investmentansatz stellt auf marktführende Unternehmen ab, deren Produkte und Dienstleistungen weit über die europäischen Märkte hinaus gefragt sind. Daher sind Unternehmen mit weltweiten Umsätzen und einer entsprechend geringeren Abhängigkeit von der europäischen Wirtschaft in unserem Portfolio tendenziell deutlich übergewichtet.

Ihr Jupiter European Growth Team:

 

Mark Nichols
Mark Heslop
Phil Macartney
Sohil Chotai
Nikisha Mistry

*Quelle: Jupiter
Hinweis
Markt- und Wechselkursschwankungen können dazu führen, dass der Wert von Anlagen steigt oder fällt, und es ist möglich, dass Sie bei der Rückgabe Ihrer Anteile nicht den vollen Anlagebetrag zurückerhalten. Die hier geäußerten Meinungen sind die der genannten Personen zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels. Sie stimmen nicht notwendigerweise mit den Meinungen von Jupiter insgesamt überein und können sich ändern. Das gilt insbesondere in Phasen, in denen sich das Marktumfeld sehr schnell verändert.
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