Es ist leicht, nur auf die Zahlen zu schauen. Der stärkste Anstieg der Verbraucherpreisinflation in den USA seit 1981 hat den Druck auf die US-Notenbank (Fed) erhöht, die Zinsen aggressiv anzuheben. Nachdem die Fed ihren Straffungszyklus im März begonnen hat, rechnen die Märkte jetzt allein in diesem Jahr mit zehn Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte. Angesichts der näher rückenden Zwischenwahlen in den USA wird der politische Druck auf die Fed, die Inflation einzudämmen, weiter zunehmen. So schwierig war das Umfeld für Anleiheninvestoren seit den 1980er Jahren nicht mehr (zum Glück sind Ausverkäufe wie dieser selten). Die Frage ist: Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich diese höheren Renditen zu sichern? Wir glauben, dass dieser Punkt bald erreicht sein wird.

Mehrere Faktoren deuten bereits auf eine Wachstumsverlangsamung hin. Die Regierungen und Zentralbanken sind entschlossen, die enormen Stimulusmaßnahmen, mit denen sie der Wirtschaft zum Höhepunkt der Pandemie unter die Arme gegriffen haben, zurückzufahren. Gleichzeitig hält China an seiner strikten Null-Covid-Politik fest. Der starke US-Dollar, der aufgrund seines Status als sicherer Hafen so hoch notiert wie seit mehr als 19 Jahren nicht mehr, verschärft die Finanzierungsbedingungen. Der Russland-Ukraine-Konflikt hat die Unsicherheit noch verstärkt und die Preise für Öl, Erdgas, Rohstoffe und Lebensmittel in die Höhe getrieben. Dieser Preisanstieg wiederum wirkt wie eine Verbrauchssteuer und dämpft letztlich die Nachfrage.

Die Aktienmärkte rutschen weiter ab, was die Verbraucher finanziell unter Druck setzt. In den USA steigen zwar auch die Löhne – allerdings nicht so stark wie die Inflation. Der durchschnittliche reale Stundenlohn sinkt seit zwölf Monaten. Der sprunghafte Anstieg der Renditen kurzfristiger US-Staatsanleihen hat die Hypothekenzinsen in die Höhe getrieben. Dadurch hat sich das Wachstum der neuen Hypothekenanträge deutlich verlangsamt. Die Ausgabenkürzung ist real. Die Unternehmen werden die negativen Umsatzauswirkungen des nachlassenden Konsums zu spüren bekommen, während die Inflation die Inputkosten in die Höhe treibt.

Dadurch könnte es in der diesjährigen Berichtssaison einige nennenswerte negative Überraschungen geben. Einfach ausgedrückt ist die Weltwirtschaft nur begrenzt in der Lage, höhere Zinsen zu verkraften.
Inversion der Zinskurve
Die Zinsstrukturkurve von US-Staatsanleihen gibt Aufschluss darüber, was die Zukunft bringen könnte. Anfang April lag die Rendite der 2-jährigen US-Staatsanleihe kurzzeitig leicht über der Rendite der 10-jährigen Treasury. Das gleiche war bei Anleihen mit 5 bzw. 30 Jahren Laufzeit zu beobachten. Während die kurzfristigen Anleiherenditen die Wahrscheinlichkeit weiterer Zinserhöhungen widerspiegeln, geben längerfristige Anleihen Aufschluss über die Wachstums- und Inflationsaussichten.

Tatsächlich laufen die Preise heiß. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich dieser Trend in den kommenden Monaten abschwächen wird, wenn die Lieferengpässe abnehmen. Die strukturelle Inflation wird gedämpft bleiben, weil alternde Bevölkerungen weniger Geld für Waren und Dienstleistungen ausgeben. Andere Aspekte wie die verbesserte Produktivität durch den Einsatz von Technologie, billige Arbeitskräfte, zu hohe Schulden und die „Zombifizierung“ des Unternehmenssektors werden die Inflation weiterhin in Schach halten.

Das aktuelle Renditeniveau am langen Ende der Staatsanleihenkurve zeigt, dass eine weitere Straffung der Geldpolitik heute ein geringeres Wachstum in der Zukunft bedeutet. Wir rechnen mit einer weiteren Abflachung der Zinskurve und gehen davon aus, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis diese komplett invertiert ist. In der Vergangenheit war dies ein deutlicher Hinweis auf eine bevorstehende Rezession.
Spannende Anlagechancen an den Anleihenmärkten
Eine extreme Straffung der Geldpolitik durch die Fed zu einem Zeitpunkt, zu dem die Inflation abzuflauen beginnt und das Wachstum an Fahrt verliert, deutet auf eine hohe Wahrscheinlichkeit einer geldpolitischen Fehlentscheidung hin. Jedes Mal, wenn es der Fed in der Vergangenheit gelungen ist, eine weiche Landung herbeizuführen, hat sie die Geldpolitik frühzeitig gestrafft, als sich die Wirtschaft im Aufschwung befand. Heute ist das Gegenteil der Fall. Eine harte Landung erscheint unausweichlich – zumal das Mandat der Fed darin besteht, mit relativ stumpfen geldpolitischen Instrumenten, die erst nach einiger Zeit Wirkung zeigen, auf nachlaufende Wirtschaftsindikatoren einzuwirken. Es sollte daher nicht überraschen, dass die Fed die Geldpolitik in der Vergangenheit oft zu stark gestrafft hat, bis ‚etwas bricht‘.

Wir glauben nicht, dass die Fed die Zahl der Zinserhöhungen, die der Markt derzeit einpreist, auch nur annähernd erreichen wird. Die rückläufige Wachstumsdynamik wird im weiteren Verlauf dieses Jahres und bis ins Jahr 2023 hinein deutlich spürbar sein, und die Zentralbanken werden sich gezwungen sehen, ihre Geldpolitik weniger aggressiv zu straffen.

Die Andeutungen der Fed, dass sie die enormen Anleihenbestände in ihrer Bilanz um 95 Milliarden US-Dollar pro Monat zurückführen könnte, werden das Wachstum ebenfalls dämpfen. Schneller hat die Fed ihre Bilanz zuvor nur in den Jahren 2017 bis 2019 verkürzt. Die normale Reaktionsfunktion der Märkte ist „Gerüchte kaufen, Fakten verkaufen“. Tatsächlich reagieren Anleger häufig eher auf Nachrichten und weniger auf das eigentliche Ereignis. Im Fall der quantitativen Straffung haben die Märkte in der Vergangenheit jedoch reagiert, wenn die Fed tatsächlich mit der Drosselung ihrer Wertpapierkäufe begonnen hat. Wir glauben, dass Risikoanlagen unter Druck stehen werden, wenn die Fed beginnt, dem Markt Liquidität zu entziehen. Das wird ein böses Erwachen für viele Anleger geben, die bislang davon ausgegangen sind, dass die Zentralbanken auf ihrer Seite stehen.

In unseren Portfolios verfolgen wir daher weiterhin einen vorsichtigen Ansatz in Bezug auf das Kreditrisiko: Wir halten viel Pulver trocken, um in der Lage zu sein, stärker ins Risiko zu gehen, wenn es zu einer rezessionsbedingten Spreadausweitung kommt. Dadurch sollten sich an den Anleihenmärkten Möglichkeit eröffnen, sich ein Renditeniveau zu sichern, wie wir es in den letzten 15 Jahren nur wenige Male gesehen haben.
Anpassung der Allokationen: Asien im Fokus
Wir haben darüber nachgedacht, was die drastischen geopolitischen Veränderungen für unser Engagement in asiatischen Staatsanleihen bedeuten: Die Reaktionen auf den russischen Einmarsch in der Ukraine stimmen uns besorgt, dass die Welt zunehmend in zwei Lager gespalten ist. Die aggressiven Sanktionen gegen russische Vermögenswerte dienen als Modell für die Zukunft. Nachdem sich chinesische Staatsanleihen in diesem Jahr bislang besser entwickelt haben als Staatsanleihen der Industrieländer, wollten wir ohnehin Gewinne aus unserem Engagement an diesem Markt realisieren. Angesichts des Extremrisikos einer weiteren Instabilität für Anleger aus entwickelten Märkten haben wir diese Position jetzt aufgelöst.

Wir haben das China-Exposure größtenteils durch koreanische Staatsanleihen ersetzt. Die koreanische Zentralbank hat entschlossen gehandelt, um die Inflation einzudämmen. Da die Auswirkungen der höheren Zinsen auf den riesigen Immobiliensektor des Landes und die Folgen der Lockdowns in China die Wirtschaft bremsen werden, wird sie voraussichtlich zu einer weniger restriktiven Haltung übergehen müssen. Zudem sind die gleichen Trends, die in den entwickelten Märkten – vor allem in Europa und Japan – auf die Renditen gedrückt haben, auch in Korea zu beobachten. In erster Linie sind das eine schwächere demographische Entwicklung und exzessive Verschuldung.

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