Modis Wiederwahl stärkt Hoffnungen auf weitere Reformen

Avinash Vazirani und Colin Croft meinen, dass Indien langfristig orientierten Anlegern nach der Wiederwahl von Premier Modi für eine weitere fünfjährige Amtszeit noch mehr zu bieten hat.
10 Juni 2024 7 Minuten

Obwohl seine „Indische Volkspartei“ (Bharatiya Janata Party, BJP) bei den jüngsten Parlamentswahlen in Indien die absolute Mehrheit verfehlt hat, kann Premierminister Narendra Modi an der Spitze einer Koalitionsregierung weiterregieren. Das Mehrparteienbündnis Nationale Demokratische Allianz (NDA) unter der Führung der BJP kommt auf insgesamt 293 Sitze. Das sind zwar 60 Mandate weniger als bei der Parlamentswahl 2019, reicht aber für einen komfortablen Abstand zur Mehrheitsmarke von 272 Sitzen.

Koalitionsregierungen: eine historische Norm

Koalitionsregierungen prägen die politische Landschaft Indiens seit fast vier Jahrzehnten und sind seit 1989 eher die Regel als die Ausnahme. Bei Wahrung der politischen Stabilität setzte die Koalitionsregierung der United Progressive Alliance (UPA) unter der Führung der Kongresspartei von 2004 bis 2014 bedeutende Wirtschaftsreformen um. Auch die von der BJP geführte NDA regiert seit 2014 faktisch als Koalition, obwohl die BJP bei den Wahlen von 2014 und 2019 jeweils eine absolute Mehrheit erreichte.

Wie erfolgreiche Koalitionsarbeit geht, wissen indisches politische Entscheidungsträger seit Anfang der 1990er Jahre. Koalitionsregierungen unterschiedlicher Konstellationen haben wiederholt umfangreiche Wirtschaftsreformen durchgeführt und Indiens Ansehen in der Weltwirtschaft gestärkt. Insbesondere die von der BJP-Koalitionsregierung im Jahr 1999 und der Koalition unter der Führung der Kongresspartei im Jahr 2004 durchgeführten Reformen legten den Grundstein für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Tatsächlich waren viele Jahre unter Koalitionsregierungen auch von hohen Wachstumsraten und soliden Aktienmarktrenditen geprägt.

Beispiellose Erfolgsserie für eine Partei

Nach den beiden vorhergehenden Wahlsiegen der BJP ist ihr diesjähriges Wahlergebnis mit 240 Mandaten das höchste Ergebnis für eine Partei seit 1984, als eine Sympathiewelle Rajiv Gandhi nach der Ermordung der damaligen Premierministerin Indira Gandhi eine absolute Mehrheit bescherte. Der erneute Wahlerfolg unterstreicht die anhaltende Stärke der BJP und Modis Einfluss in der indischen Politik sowie die solide Basisunterstützung und organisatorische Stärke der Partei. Während die BJP ihren Stimmenanteil im Süden des Landes ausbauen konnte, musste sie in Nordindien allerdings Verluste einstecken. Offensichtlich lagen Märkte und Wahlforscher mit ihrer Erwartung einer ähnlich klaren BJP-Mehrheit wie 2014 und 2019 falsch.

Wirtschaftsausblick: vielversprechende Wachstumsdynamik und Stabilität

Indiens Wirtschaft befindet sich auf einem robusten Wachstumspfad, der durch die Wiederwahl Modis weiter gestärkt wird. Mit dem Wachstum Indiens kann es derzeit keine andere Wirtschaft der Welt aufnehmen. Im vergangenen Fiskaljahr 2023-24 wuchs das indische BIP um schätzungsweise 8,2 %. Gerade in der gegenwärtig unsicheren weltwirtschaftlichen Situation ist diese Dynamik bemerkenswert und Ausdruck Indiens fundamentaler wirtschaftlicher Stärke und effektiver Wirtschaftspolitik.

Dazu wird für 2024 auch noch ein starker Monsun erwartet. Höhere Niederschläge wirken sich positiv auf die landwirtschaftliche Produktion und damit die Einkommen der Betroffenen aus, was den Konsum ankurbeln dürfte. Nach mehreren Jahren unterdurchschnittlicher Niederschläge wäre der vom indischen meteorologischen Dienst (Indian Meteorological Department, IMD) für dieses Jahr vorhergesagte überdurchschnittliche Monsunregen eine deutliche Verbesserung. Gute Monsune sind wichtig für die Landwirtschaft, von der ein Großteil der indischen Bevölkerung abhängig ist und die entscheidend für die Nachfrage im ländlichen Raum ist.

Darüber hinaus haben die indischen Unternehmen für das am 31. März 2024 beendete Geschäftsjahr Rekordgewinne gemeldet. Wie gut sich die Geschäfte entwickelt haben, zeigt der Anstieg der aggregierten Nettogewinne der Nifty 50-Unternehmen um 18 % gegenüber dem Vorjahr. Die anschließende Anhebung der Analystenerwartungen an das Wachstum des Gewinns je Aktie (EPS) für die Geschäftsjahre 2025 und 2026 verdeutlicht das anhaltende Anlegervertrauen und die positiven Ertragsaussichten der indischen Unternehmen.  Im Vergleich zum Index zeichnen sich die Unternehmen, in die wir investieren, im Schnitt durch ein deutlich höheres Gewinnwachstum aus.

Strategische Reformen, anhaltender Wohlstand und keine Kehrtwenden

Nach allgemeiner Erwartung wird die Modi-Regierung den Reformprozess, der hinter Indiens wirtschaftlichem Aufstieg steht, weiter vorantreiben. Wichtige Reformen in den Bereichen Infrastrukturentwicklung, digitale Wirtschaft und Haushaltskonsolidierung haben ein wachstumsförderliches Umfeld geschaffen. Durch die starke Fokussierung auf staatliche Initiativen wie das Nationale Infrastrukturprogramm (NIP) hat Indiens Regierung den Ausbau der Infrastruktur maßgeblich vorangetrieben. Bei den Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben werden keine bedeutenden Kürzungen erwartet, auch wenn sich neue politische Reformen verzögern könnten. Einer der Bündnispartner der BJP wird die von N. Chandrababu Naidu geführte Telugu Desam Party sein. Dem für seinen starken Reformwillen bekannten Naidu wird die Umwandlung Hyderabads in ein Technologiezentrum zugeschrieben. Unternehmen wie Microsoft und Google unterhalten heute große Niederlassungen in der Stadt.

Anlagechancen und Marktstimmung

Die positiven Wirtschaftsindikatoren und eine stabile Regierung schaffen gute Voraussetzungen für Anleger. Dabei ist die wirtschaftliche Stabilität auch ein Verdienst der indischen Zentralbank (Reserve Bank of India, RBI), die den Reposatz konstant bei 6,5 % gehalten und so für reichliche Liquidität am Markt gesorgt hat. Durch den Aufbau bedeutender Devisenreserven, die sich derzeit auf etwa 640 Mrd. USD belaufen, hat die Zentralbank zudem einen Puffer gegen die Volatilität der Weltwirtschaft geschaffen.

Die umsichtige Finanzpolitik der Regierung und die Betonung von Strukturreformen erhöhen die Attraktivität des indischen Marktes für in- und ausländische Investoren weiter. Die solide Haushaltspolitik zeigt sich auch darin, dass das Haushaltsdefizit im Fiskaljahr 23/24 mit 5,6 % des BIP unter den Schätzungen der Regierung blieb. Vor der Bekanntgabe des Wahlergebnisses hatte S&P Global Ratings den Ausblick für das indische Länderrating in der vergangenen Woche von „stabil“ auf „positiv“ angehoben. Das Rating selbst blieb bei „BBB-“.

Unverändert positiver Ausblick

Die Wiederwahl von Premierminister Modi, wenn auch an der Spitze einer Koalitionsregierung, sorgt für politische Stabilität und ermöglicht eine Fortsetzung der positiven wirtschaftlichen Entwicklung Indiens. Mit dem soliden Fundament einer Regierungskoalition, die sich zu Wirtschaftsreformen bekennt, wird Indien langfristig ein attraktives Ziel für Investoren bleiben. Der positive Wirtschaftsausblick, untermauert durch die Aussicht auf einen guten Monsun und eine sehr positive Unternehmensentwicklung, stärkt Indiens Position als wachstumsstärkste Wirtschaft der Welt.

Wir glauben, dass Indien die bemerkenswerten Fortschritte der letzten Jahre unter einer von Modi geführten Koalitionsregierung fortsetzen wird. Anleger können sich auf eine Phase der Stabilität und des nachhaltigen Wachstums freuen. Damit bleibt Indien eine attraktive Wahl für langfristige Investitionen. In den nächsten Wochen könnte es an den Märkten zu Ausschlägen in beide Richtungen kommen, wenn das neue Kabinett Gestalt annimmt und Anfang Juli der neue Haushalt vorgestellt wird. Wenn sich die Wogen erst einmal geglättet haben, dürften sich die Märkte jedoch wieder auf die Fundamentaldaten konzentrieren – und die sind unverändert stark.

In den nächsten Wochen könnte es an den Märkten zu Ausschlägen in beide Richtungen kommen, wenn das neue Kabinett Gestalt annimmt und Anfang Juli der neue Haushalt vorgestellt wird. Wenn sich die Wogen erst einmal geglättet haben, dürften sich die Märkte jedoch wieder auf die Fundamentaldaten konzentrieren – und die sind unverändert stark.

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