Am 4. Mai 2021 unternahm die unabhängige Edelmetallbehörde London Bullion Market Association (LBMA) einen letzten Versuch, die britische Aufsichtsbehörde mit einem 68-seitigen Dokument zu Zugeständnissen oder einer Befreiung von den in Kürze in Kraft tretenden Basel-III-Anforderungen zu bewegen. Trotz achtjähriger Lobbyingbemühungen gegen das Regelwerk wird die Bankenreform, die das globale Finanzsystem stärken soll, voraussichtlich im Januar 2022 in Kraft treten.

 

Einige der neuen Bestimmungen des Basel-III-Regelwerks werden unseres Erachtens bedeutende Auswirkungen auf den Goldmarkt haben. In diesem zweiten Beitrag unserer Monetary Metal Matters (MMM) Reihe sehen wir uns die relevanten Bestimmungen genauer an und erläutern die weitreichenden Folgen, die das unserer Ansicht nach nahende Ende des von der LBMA geprägten Status quo haben könnte.

Wie Basel III die Fähigkeiten der Banken, Gold auszugeben/zu halten unterminiert

Die erste wichtige Änderung durch das Basel-III-Regelwerk betrifft die Höhe der langfristigen Mittel, die Banken zur Finanzierung ihrer langfristigen Vermögensbestände bereithalten müssen. Das aufsichtsrechtliche Instrument, mit dem diese Vorgabe gemessen wird, ist die Strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR ). Unter Basel II waren die LBMA-Banken verpflichtet, in Sammelverwahrung gehaltenes Gold zu 50% seines Werts in ihren Büchern zu führen. Unter Basel III soll dieser Anteil auf 85% steigen. Das ist ganz klar der größte Knackpunkt für das derzeitige System des Handels mit nicht zugewiesenem Gold in London.

 

Im Dokument der LBMA vom 4. Mai 2021 heißt es dazu: „Eine RSF (Required Stable Funding – erforderliche stabile Refinanzierung) von 85% würde das Clearing und Settlement beeinträchtigen. Die erforderliche stabile Finanzierung für kurzfristige Vermögensbestände würde die Kosten für die LPMCL-Clearing-Banken so stark erhöhen, dass sich einige gezwungen sehen würden, aus dem Clearing- und Settlement-System auszusteigen, das dadurch sogar zusammenbrechen könnte.“

 

Wie im ersten Beitrag dieser Reihe erläutert, spielen die nicht zugewiesenen Goldbestände (Unallocated Gold) die entscheidende Rolle für die Transaktionen am Londoner Goldmarkt. Für nicht zugewiesenes Gold, häufig auch als XAU bezeichnet, erhält der Kunde nur ein verbrieftes Anrecht auf eine bestimmte Menge an Gold. Die Banken sind nicht dazu verpflichtet, diese Transaktionen durch physische Goldbestände zu besichern. Damit sind Eigentümer von nicht zugewiesenem Gold Gläubiger der Bank ohne Sicherheiten und ohne Rechtsanspruch auf physische Goldbarren. Damit haben sie natürlich ein Kreditrisiko, da die unbelasteten physischen Goldsicherheiten nicht identifiziert und abgesichert werden. Basel III hebelt die Fähigkeit des Bankensystems aus, auf diese Weise Gold auszugeben/zu halten.

 

Die einzige realistische Lösung für die LBMA-Banken lautet, (viel) mehr physisches Gold zu kaufen, um den neuen Anforderungen zu entsprechen. In einem ohnehin schon engen Markt für physisches Gold (siehe unsere Anmerkungen zum „Float“ in Teil 1 von MMM) steht die LBMA vor einem potenziell großen Problem.

 

Der Ton des 68-seitigen LBMA-Dokuments ist ungewöhnlich für eine Branchenorganisation des Bankensektors. Bezeichnend ist auch, dass dieser Lobbying-Versuch – nach mehr als fünf Jahren erfolgloser Lobbyarbeit der LBMA bei der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) – auf die britische Regulierungsbehörde abzielt. Die europäische Aufsichtsbehörde scheint kein Interesse daran zu haben, auf die Forderungen der LBMA einzugehen. Damit wird auch klar, warum sich die Deutsche Bank nach einer Untersuchung durch die deutsche Aufsichtsbehörde Bafin im Jahr 2013 komplett aus dem Goldmarkt zurückgezogen hat. Diese Untersuchung führte dazu, dass die Deutsche Bank ihre zentrale Rolle als Clearer im LBMA-System aufgab und sogar ihre teuer gebauten neuen Tresoranlagen in London verkaufte.

 

Bafin-Präsidentin Elke König kommentierte dies damals wie folgt: „Diese Vorwürfe (bezüglich der Manipulation von Referenzwerten für die Edelmetallmärkte) wiegen besonders schwer, denn solche Referenzwerte basieren typischerweise auf realen Transaktionen in liquiden Märkten und nicht auf Schätzungen der Banken.“

Könnte der Goldmarkt wieder zu einem physischen Markt werden?

Dieses Zitat von vor acht Jahren lässt ahnen, warum die europäische Aufsichtsbehörde den wiederholten Forderungen der LBMA nach einer Senkung der Finanzierungsanforderung von 85% im Basel-III-Regelwerk nicht stattgegeben hat. Seltsam erscheint auch, dass die LBMA-Banken seither nichts unternommen haben, um sich besser aufzustellen. Das Ziel des Basel-III-Komitees könnte sein, dem Wildwuchs des Papiergoldmarktes Grenzen zu setzen und den physischen Markt aufzuwerten. Wenn wir mit dieser Einschätzung richtig liegen, stehen uns echte Umwälzungen bevor.

Die Basel-III-Reform beinhaltet bedeutende Neuerungen. Unter anderem wird physisches Gold vom Tier-3-Status auf den Status eines Tier-1-Assets aufgewertet und erhält damit als Bankreserve den gleichen Stellenwert wie Bargeld oder US-Staatsanleihen. Dies ist getrennt von den Liquiditätsanforderungen der NSFR und bezieht sich auf den Marktwert, der beim Halten von (physisch zugewiesenem) Gold in den Büchern realisiert werden kann.

Durch die Hochstufung von Gold zu einem Tier-1-Asset werden die Banken unter Basel III 100% des Marktwerts ihres physisch zugewiesenen Goldes realisieren können. An einem wichtigen Scheidepunkt für die Märkte verdeutlicht dies die Rolle von Gold als risikofreiem monetärem Vermögenswert. Das dürfte kein Zufall sein, zumal die nationalen Notenbanken in der Eurozone hohe (nach dem Marktwert bewertete) Goldreserven halten. Seit Beginn der Überlegungen zu den Basel-III-Reformen (nach der globalen Finanzkrise) sind die Zentralbanken Nettokäufer von Gold gewesen. Seit 2009 haben sie im Schnitt mehr als 500 Tonnen Gold pro Jahr erworben5. Große Goldankäufer sind zum Beispiel die People’s Bank of China und die russische Zentralbank. Abgesehen von der Federal Reserve dürften die Zentralbanken die Vorteile zu schätzen wissen, die sich aus der Rückkehr von Gold zu seiner historischen Rolle als echtes und anerkanntes unpolitisches und risikofreies Geldinstrument der Wahl innerhalb des Bankensystems ergeben würden.

Zusammenfassung

Die Änderungen am Basel-III-Regelwerk / NSFR sind ein wichtiger struktureller Faktor für den Goldmarkt mit potenziellen Auswirkungen auf die Banken, die weit über ihr Goldgeschäft hinausreichen könnten. Die andauernden Lobbyingbemühungen der LBMA zeigen, dass der Fortbestand des aktuellen Modells von mehr als 90% Papierhandel ernsthaft bedroht ist.

 

Möglicherweise wird die LBMA in den kommenden Wochen noch gewisse Zugeständnisse erhalten. Je näher der 28. Juni rückt (das Datum, bis zu dem die Aufsichtsbehörde der LBMA antworten muss), desto unwahrscheinlicher erscheint dies jedoch. Sollten die geplanten Änderungen tatsächlich umgesetzt werden, werden sie dazu beitragen, dass Gold seinen natürlichen Status als risikofreies Instrument der Wahl im globalen Bankensystem zurückerhält. Wir behalten die diesbezüglichen Entwicklungen genau im Auge und empfehlen Investoren, dies ebenfalls zu tun.

1Quelle: LBMA, The Impact of the NSFR on the Precious Metals Market, 04.05.2021

2Quelle: Reuters, Deutsche quits gold price-setting as regulators investigate fix, 17.01.2014

3Quelle: Reuters, How London’s gold and silver price benchmarks are „fixed“, 17.01.2014
4Quelle: Bank of International Settlements: https://www.bis.org/basel_framework/

5Quelle: World Gold Council, Gold Demand Trends Full year and Q4 2020, 28.01.2021

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