Ariel Bezalel und Harry Richards: Die Deflation, nicht die Inflation, hat sich verstärkt
Ariel Bezalel und Harry Richards erläutern, warum die deflationären Kräfte auf globaler Ebene weiter die Oberhand haben, und wo sie aktuell interessante Anlagemöglichkeiten für die Global Unconstrained Bond Strategie von Jupiter finden.
Ariel Bezalel und Harry Richards erläutern, warum die deflationären Kräfte auf globaler Ebene weiter die Oberhand behalten, und wo sie aktuell interessante Anlagemöglichkeiten für die flexible benchmarkunabhängige Anleihenstrategie von Jupiter finden.
Angesichts der enormen Finanzspritzen, mit denen Regierungen und Zentralbanken in den letzten sechs Monaten versucht haben, die Wirtschaft am Laufen zu halten, fragen sich viele Investoren und Marktbeobachter, ob wir nach mehreren Jahrzehnten niedriger und rückläufiger Inflationsraten an einem Wendepunkt stehen und die inflationären Kräfte in den nächsten Jahren die Oberhand haben könnten.
Zusätzlich befeuert wird diese Debatte durch die neue Fed-Strategie der flexiblen Steuerung des Inflationsniveaus rund um ein durchschnittliches Inflationsziel (Flexible Average Inflation Targeting), mit dem die US-Notenbank den Arbeitsmarkt in den Fokus gerückt hat und auf „maximale Beschäftigung“ abzielt. Die Fed hat bestätigt, dass sie die Zinsen frühestens dann anheben wird, wenn die Inflation „für längere Zeit“ über 2% liegt, und erklärt, dass bis 2023 keine Zinserhöhungen zu erwarten sind.
Hartnäckige deflationäre Kräfte
Bewegen wir uns also von einem deflationären zu einem strukturell inflationären Umfeld? Wir bezweifeln das.
Stand heute beträgt die durchschnittliche Inflationsrate der Industrieländer 0%. Wir argumentieren seit Langem, dass bedeutende strukturelle Kräfte wie die Überschuldung, die alternden Gesellschaften und die technologische Disruption (die ‚drei Ds‘ für Debt, Demographics und Disruption) weiter deflationär wirken werden. Diese strukturellen Kräfte haben sich über mehrere Jahrzehnte herausgebildet und werden sicherlich nicht von einem auf den anderen Tag verschwinden.
Das Beispiel Japan, das seit 2001 auf quantitative Lockerung (‚QE‘) setzt, verdeutlich das Gewicht dieser drei Faktoren, die verhindert haben, dass eine auf ewig expansive Geldpolitik die Inflation nennenswert angekurbelt hat. Die Anpassung der Fed-Strategie könnte zwar langfristig wichtige Implikationen haben, vor allem, wenn die Vollbeschäftigung erreicht oder fast erreicht ist – aktuell sorgt sie aber nur für eine klarere Zinsprognose. Was das angeht, bleibt also alles beim Alten: Auf niedrige Zinsen, begleitet durch aggressive Anleihenkäufe, setzt die Fed bereits seit zehn Jahren. Trotzdem verharrt die Inflation in den USA hartnäckig unter dem Zielwert von 2%. Warum sollte es jetzt anders kommen?
Die Leute sparen mehr und geben weniger aus
Ein wesentlicher Grund für die zunehmenden Hoffnungen auf eine Reflation ist das starke Wachstum der Fed-Geldmenge M2. Theoretisch ist ein hohes Geldmengenwachstum ein Vorbote einer höheren Inflation. Allerdings greift die alleinige Betrachtung der Geldmenge zu kurz – genauso wichtig ist die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Sie misst, wie häufig eine Währungseinheit dafür verwendet wird, Waren oder Dienstleistungen zu kaufen. Die Coronavirus-Krise hat zu einem starken Rückgang der Umschlaghäufigkeit des Geldes geführt. Das signalisiert, dass mehr Menschen ihr Einkommen sparen oder investieren, anstatt es auszugeben – und das wirkt deflationär.
Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist gesunken
Quelle: Bloomberg, Stand: 22. September 2020
Unproduktive Unternehmensverschuldung
Ein Haupttreiber des schnelleren Geldmengenwachstums sind die QE-Programme, d.h. Anleihenkäufe, der Zentralbanken. Wir sehen die realwirtschaftliche Wirkung der quantitativen Lockerungsmaßnahmen allerdings skeptisch, da diese im Grunde genommen nichts anderes als ein Asset-Swap sind, durch den Barmittel bei der Fed geparkt werden. Geschäftsbanken haben keinen Zugriff auf diese Mittel. Daher halten wir die konventionelle QE-Politik auch nicht für ein bedeutendes Inflationsrisiko. Schließlich sind es die Banken und nicht die Zentralbank, die Geld und damit Inflation schaffen, und die Banken sind nach wie vor zurückhaltend bei der Kreditvergabe – tatsächlich haben die US-Banken die Kreditvergabestandards zuletzt sogar verschärft.
US-Banken verschärfen die Kreditvergabestandards
Quelle: Bloomberg, Stand: 22. September 2020
Die durch die Stimulusmaßnahmen beförderte Explosion der Unternehmensverschuldung in den letzten sechs Monaten wird zu einem großen Teil dazu verwendet, Verbindlichkeiten zu bedienen oder Einnahmenausfälle wettzumachen, anstatt in produktive Projekte investiert zu werden. Diese Schulden halten „Zombie“-Unternehmen am Leben – Firmen, die ohne die extrem niedrigen Zinsen, die es ihnen ermöglichen, ihrem Schuldendienst nachzukommen, nicht überleben könnten.
Hat Covid-19 nicht die Preise nach oben getrieben?
Covid-19 hat zu einem abrupten Wandel der Ausgabegewohnheiten geführt und das Inflationsbild dadurch undurchsichtiger gemacht. Beispielsweise haben die Verbraucher in den letzten Monaten mehr Güter und weniger Dienstleistungen gekauft (‚Hamsterkäufe‘ im Lebensmittel- und Grundbedarfsbereich haben in diesen Sektoren zu Inflation geführt). Gleichzeitig schießen die Gebrauchtwagenpreise in den USA in die Höhe, weil der Umstieg vieler Menschen vom öffentlichen Nahverkehr auf das eigene Auto mit einem relativ knappen Gebrauchtwagenangebot zusammenfällt.
Covid-19 hat aber auch neue deflationäre Kräfte mit sich gebracht, wie die negativen Auswirkungen auf den Markt für Gewerbeimmobilien zeigen. Zudem sind Gebrauchtwagenkäufe zumeist einmalige Anschaffungen. Gleichzeitig ist der weltweite Tourismus eingebrochen, der bis zu 10% zum globalen BIP beiträgt. Ein Teil dieser Nachfrage wird möglicherweise nur langsam zurückkehren. Bis sich die Auslastung in der Airline-Industrie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wieder vollständig erholt hatte, vergingen zum Beispiel rund sechs Jahre. Außerdem kämpft die Luftfahrtindustrie, die ihr Vorkrisenniveau kaum wieder erreichen wird, ohnehin schon mit erheblichen Überkapazitäten.
Monopole, China und die schwache Verhandlungsposition der Arbeitnehmer verhindern eine stärkere Deglobalisierung
Eine Kombination von geopolitischen Faktoren und Covid-19 hat die Störanfälligkeit langer, komplexer, globaler Lieferketten deutlich gemacht. In der Folge erwägen viele Industrieländer, Teile ausgelagerter Produktionskapazitäten wieder ins eigene Land zurückzuholen (Stichwort ‚Reshoring‘). Dieses ‚Deglobalisierungspotenzial‘ wird häufig als weiteres Argument für eine künftig höhere Inflation angeführt.
Das Argument weist aber mehrere Schwächen auf. Erstens könnte eine Rückverlagerung von Lieferketten in Industrieländer zwar zu einer Kostendruckinflation führen, würde aber zugleich Überkapazitäten in Ländern wie China nach sich ziehen, was in der Regel sinkende Preise zur Folge hat. Dieser deflationäre Druck könnte die Kostendruckinflation in dem Industrieland, das seine Produktion zurückholt, sogar weitgehend aufwiegen. Auch sollte bedacht werden, dass eine Kostendruckinflation theoretisch zu einem schwächeren Wirtschaftswachstum und sinkenden Lebensstandards führt.
Zweitens wird die Macht der globalen Monopole in Verbindung mit der aktuell hohen, durch Kostensenkungen in der Coronakrise verursachten Arbeitslosigkeit weiter auf die Löhne drücken und die Einkommensungleichheit noch für längere Zeit verstärken. Letztlich dürfte das Konsumumfeld dadurch schwierig bleiben, was wiederum zu steigenden Zahlungsausfällen bei Verbrauchern und Unternehmen führen könnte.
Kalkuliertes Risiko
Der ‚Game Changer‘ für die Inflation wären ernsthafte Erwägungen der Zentralbanken, noch extremere geldpolitische Instrumente einzusetzen. Dazu zählen zum Beispiel die moderne Geldtheorie (Modern Monetary Theory, MMT), ‚Helikoptergeld‘ (Direktzahlungen an Verbraucher) oder eine dauerhaftere Verschiebung hin zur Monetarisierung von Schulden. Wir glauben aber, dass dieser Punkt noch ein bis zwei Jahre in der Zukunft liegt.
Kurzfristig könnte der Inflationsdruck schwanken, aber als Investoren, die auf ein ausgewogenes Verhältnis von Risiko und Ertrag abzielen, legen wir den Fokus auf längerfristige Trends. An den Anleihenmärkten gibt es immer noch viele attraktive Anlagemöglichkeiten für erfahrene Investoren. Angesichts der anhaltenden deflationären Kräfte halten wir eine solide Allokation in Staatsanleihen mit AAA Rating weiter für sinnvoll. An den Unternehmensanleihenmärkten konzentrieren wir uns vor dem Hintergrund der Unterstützung durch die Zentralbanken auf Unternehmen mit robusten Geschäftsmodellen, die den bevorstehenden Ungewissheiten gewachsen sind.
Hinweis:
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