Kann die Fed diesmal alles richtig machen?
Mark Nash erörtert den Inflationsausblick, die Aussicht auf eine Straffung der Geldpolitik und die Frage, ob es der US-Notenbank gelingen wird, nicht die gleichen Fehler wie in der Vergangenheit zu machen.
Dass sich die Inflationsdynamik in den vergangenen vier Monaten verändert hat, ist an den Märkten und in den Notenbanken nicht unbemerkt geblieben. Als es im Zuge des Wiederhochfahrens der Wirtschaft nach den pandemiebedingten Beschränkungen zu Lieferengpässen und dadurch steigenden Preisen kam, lag der Fokus zunächst auf einer vermeintlich vorübergehenden Inflation. Mit der Schließung der Produktionslücke begann jedoch auch die normale zyklische Inflation anzuziehen, eine Entwicklung, die in den USA durch die steigende Lohninflation ziemlich extreme Ausmaße angenommen hat. In Europa ist die Situation ähnlich, auch wenn die Lohninflation bisher kein großes Thema ist.
Inflationspolitik
Wie die im Januar veröffentlichten Daten zeigen, ist die Verbraucherpreisinflation in den USA im Jahr 2021 um 7% gestiegen. Diese Jahresrate, die höchste seit 39 Jahren, lag deutlich über den Erwartungen der Ökonomen. Für US-Präsident Joe Biden ist die Inflation inzwischen zu einem politischen Problem geworden – er fürchtet, dass die Wähler ihren Frust über die höheren Haushaltsausgaben bei den Kongresswahlen im November auf dem Wahlzettel kundtun könnten. Dies wiederum hat die US-Notenbank (Fed) dazu veranlasst, einen restriktiveren Ton anzuschlagen.
Unserer Ansicht beginnen die vorübergehende Inflation und die Lieferengpässe inzwischen nachzulassen. Dafür sprechen unter anderem die jüngsten Daten zum verarbeitenden Gewerbe und den Lieferzeiten. Das ist eine gute Nachricht. Die zyklische Inflation ist jedoch etwas problematischer.
Höhere Preise belasten das Konsumklima
University of Michigan Consumers Survey on Buying Conditions for Large Household Durable Goods
Quelle: Bloomberg, Stand 17. Januar 2022
Die Reaktion der Finanzmärkte auf die Fed-Sitzung im Januar – und die Dezember-Sitzung – war dramatisch und meiner Meinung nach übertrieben. Für 2022 hat der Markt fünf Zinserhöhungen durch die Fed eingepreist, was schon extrem ist. Bei den Marktteilnehmern scheint sich die Ansicht durchgesetzt zu haben, dass die Erholung gut im Gange ist und die Omikron-Welle nachlässt, während die hohe Inflation zu einem zunehmenden Politikum wird.
Nach der Fed-Sitzung wertete der US-Dollar auf, die Zinskurve wurde flacher und die Aktienkurse brachen ein. Seither ist die Fed wieder etwas zurückgerudert und hat erklärt, dass sie die Märkte nicht verunsichern will.
Straffung der Geldpolitik im Fokus
Den amerikanischen Währungshütern ist an einer steilen Zinskurve und einem schwächeren Dollar gelegen. Die Fed weiß allzu gut, was passieren kann, wenn sie die Geldpolitik zu stark strafft und den Dollar in die Höhe treibt – in der Vergangenheit hatte dies jedes Mal Kursstürze an den Märkten zur Folge, sodass sich die Fed gezwungen sah, mehr Liquidität in den Markt zu pumpen. Ich glaube, dass die US-Notenbank diesmal auf eine quantitative Straffung (QT), also eine stärkere Drosselung der Anleihenkäufe, setzen wird, um ihre Bilanz zurückzuführen.
Auch wenn dies nicht unser Basisszenario ist, sind mehr als fünf Zinserhöhungen im kommenden Jahr denkbar. Allerdings sollte dies die Märkte dieses Mal nicht zu sehr aus dem Gleichgewicht bringen, da auch die Europäische Zentralbank endlich einen restriktiveren Kurs einschlägt, die realen Renditen überall steigen und der Dollar gedämpft bleibt.
Die Fed bezeichnet die Zinsen zwar als ihren wichtigsten Hebel zur Steuerung der Inflation. Ich glaube trotzdem, dass sie in erheblichem Maße auf QT zurückgreifen und ihre Anleihenkäufe vermutlich um rund 100 Milliarden US-Dollar pro Monat reduzieren wird. Sie wird hoffen, die Zinsen dadurch weniger stark anheben zu müssen und ihre Geldpolitik straffen zu können, ohne damit eine massive Dollaraufwertung auszulösen.
Die Fed hat die Zinsen in der Vergangenheit zu stark angehoben. In der Folge hat sie sich durch die Marktreaktion dazu gezwungen gesehen zurückzurudern, als niemand mehr ihre Anleihen kaufen wollte, der Dollar erstarkte und es zu einer Dollarknappheit kam. Diesmal hat die US-Notenbank Liquiditätsinstrumente wie Repogeschäfte und FX-Swaplinien mobilisiert. Was sie damit sagen will, ist: ‚Ja, wir werden im Rahmen von QT weniger Anleihen ankaufen, aber wer Dollar braucht, sollte sich an uns wenden. Kauft weiter unsere Anleihen.‘ So will die Fed den Weg für eine stärkere Konzentration auf QT als auf eine Anhebung der kurzfristigen Zinsen ebnen.
Fünf Zinserhöhungen im Jahr 2022?
Daher denke ich, dass fünf Zinserhöhungen in diesem Jahr die Obergrenze darstellen dürften. Allerdings werden die Märkte für die Zukunft weitere Zinserhöhungen einpreisen müssen. Die Konjunktur kühlt sich ab, aber es muss noch mehr Hinweise auf eine nachlassende angebotsseitige Inflation geben. Für die Märkte ist das wichtig. Sobald es dafür mehr Belege gibt, werden die Fed und andere Notenbanken wie die Europäische Zentralbank die Zügel auch wieder etwas locker lassen können.
In diesem Szenario eines synchronisierten globalen Wachstums wäre es sinnvoll, Dollar zu verkaufen, Schwellenländeranlagen zu kaufen und Staatsanleihen der Industrieländer zu verkaufen.
Investment-Grade-Anleihen könnten unter Druck stehen.
Es gibt mehrere Risiken, die einem derartigen Szenario entgegenstehen könnten. So könnte eine anhaltend hohe Inflation in den USA weitere kurzfristige Zinserhöhungen nach sich ziehen. Geopolitische Faktoren könnten zu einer Flucht in Dollar als sicheren Hafen führen. Und wenn China an seiner Null-Covid-Politik festhalten sollte, könnte das negative Folgen für die chinesische Wirtschaft und das weltweite Wachstum haben.
Das größte Risiko für risikoreichere Anlagewerte besteht darin, dass die realen Zinsen in allen Märkten zu niedrig sind, falls die Zentralbanken die Inflationsproblematik richtig angehen wollen.
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels sehe ich keine Gefahr eines geldpolitischen Fehltritts. Ich glaube, dass die Zentralbanken die Inflation ohne exzessive Zinserhöhungen unter Kontrolle bekommen können. Dies würde helfen zu verhindern, dass die Zinskurve komplett invertiert und am Markt nur Schreckensszenarien gehandelt werden. Der Dollar könnte schwach bleiben, was gut für das globale Wachstum wäre. Ein synchronisierter weltweiter Aufschwung ist möglich.
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