Risikofrei, riskant oder nur ein Reserveinstrument?
Ned Naylor-Leyland erwartet, dass die Anziehungskraft von Gold zunehmen wird, wenn die Dominanz des Dollars abnimmt.
Angesichts des strategischen Charakters von Gold und seiner Abkopplung vom offiziellen Währungssystem durch die USA im Jahr 1971 fällt es Anlegern schwer, sich über die bisherige und künftige Rolle von Gold klar zu werden.
Ist Gold das risikofreie Instrument des Systems, wie es die Zentralbankreserven und Werke wie „The Golden Constant“ von Roy Jastram nahelegen? Handelt es sich nur um eine risikoreiche und volatile Anlageklasse, die „keine Dividende zahlt“? Oder ist Gold nichts anderes als ein traditionelles Reserveinstrument mit begrenzter Bedeutung in der modernen Welt?
Für den Anlageerfolg im aktuellen Ausnahmeumfeld, das mit nichts vergleichbar ist, was wir in unserer Investmentkarriere bis jetzt erlebt haben, ist das Verständnis dieser Fragen und der verborgenen Wahrheiten des Petrodollar-Systems von zentraler Bedeutung. Lineare Annahmen zur Natur des Geldes und Rolle des US-Dollars in den globalen Kapitalströmen könnten Anleger teuer zu stehen kommen: Für Investoren, denen die tektonischen Verschiebungen im Währungssystem im allgemeinen Marktrauschen entgehen, dürfte es ein unsanftes Erwachen geben. Als von Natur aus unpolitisches Geldinstrument mit begrenztem Angebot war Gold schon immer erste Wahl in einer multipolaren Welt. In diese Richtung bewegen wir uns auch jetzt wieder, wenn auch durch einen Sturm kurzfristiger makroökonomischer und geopolitischer Volatilität.
Zunächst einmal sollten wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass Gold keine Zinsen zahlt. Eine solche Behauptung zeugt von einem fehlenden Verständnis der Natur von Währungen. Gold kann verliehen werden und Zinseinnahmen generieren – nur will mit Ausnahme der Geschäftsbanken kaum jemand sein Gold verleihen. Anleger und Sparer verstehen (wenn auch in den meisten Fällen nur intuitiv), dass Gold risikolos ist. Deshalb wollen sie es nicht an Kontrahenten verleihen, deren Risikostatus höchstwahrscheinlich fehlbepreist ist. Währungen bringen nur dann Zinsen ein, wenn man sie verleiht. Doch kommen wir zum eigentlichen Kern der Sache. Die wenigsten Anleger machen sich Gedanken darüber, was das wirkliche risikofreie Instrument des Finanzsystems ist. Für die Zentralbanken als Hüter der wirtschaftlichen Geschicke souveräner Staaten ist dies dagegen sehr wichtig. Natürlich ist das auch der Grund, warum die Zentralbankreserven hauptsächlich aus Goldbarren bestehen und nicht aus den Kreditinstrumenten anderer Zentralbanken. Gold war schon immer die wahre, unpolitische und risikofreie Form des Geldes.
Der damalige US-Präsident Nixon mag 1971 das „Goldfenster“ geschlossen haben. Die wahre Natur des Goldes hat er damit jedoch nicht verändert, sondern nur durch Realpolitik den Status des US-Dollars erhöht. Während wir also seit 1971 in einer „unipolaren“, durch die Hegemonie der USA erzwungenen Welt leben, dürfte allen halbwegs aufmerksamen Beobachtern klar sein, dass sich dieses Kapitel der Geschichte jetzt seinem Ende zuneigt. Im sogenannten Petrodollar-System war der Dollar als führende Transaktionswährung für Rohstoffe zugleich die unangefochtene Leitwährung der Welt. Mit den aktuellen Dramen um Nord Stream 2, russisches Gas, die nationale Erdölreserve, die Auswirkungen der Öl- und Gaspreise auf die Inflation und sogar die Haltung der USA gegenüber Saudi-Arabien und China befinden uns mitten in einer Neuzentrierung der Weltwirtschaft. Was jetzt zählt, sind die Energie- und Rohstoffströme und nicht die endlose Anhäufung von US-Staatsanleihen. In der ‚Petro-Dollar‘-Beziehung hat jetzt die ‚Petro‘-Seite die Oberhand. Zum Leidwesen der USA bedeutet dies das Ende der US-Dollar-Vorherrschaft an den Rohstoffmärkten und im globalen Währungssystem.
Anleger, die das nicht erkennen, könnten dafür teuer bezahlen. Was ein wirklich risikofreies Geldinstrument ist, interessierte in der Hochphase des Petrodollar-Systems niemanden. Entscheidend war vielmehr, was die Geschäftsbanken als risikolos einstuften (US-Staatsanleihen). Was wir jetzt sehen, ist eine rapide Entdollarisierung und Deglobalisierung. Energie und Rohstoffe werden nicht mehr quasi nur in Dollar verkauft, und die Zeiten billiger Waren, Arbeitskräfte und Energie dürften vorbei sein. Russland, Iran und Saudi-Arabien haben alle umfangreiche nicht auf Dollar lautende Energielieferabkommen mit China abgeschlossen. Seit Beginn der Sanktionen gegen Russland hat sich dieser Trend hin zu einer multipolaren Machtverteilung durch ähnliche Schritte von Ländern wie Indien und Brasilien beschleunigt. Dieser Trend der Deglobalisierung und die Lieferkettenstörungen, die zum Anstieg der Inflation beigetragen haben, werden durch den Ruf nach Nachhaltigkeit, Onshoring, grüner Energie und ähnlichem noch verstärkt. Wenn sich die Fed aufgrund einer harten Landung der Wirtschaft oder – was ich für wahrscheinlicher halte – eines „Eventrisikos“ im Finanzsystem zur Kehrtwende gezwungen sehen sollte, werden die Anleger einer düsteren Realität ins Auge sehen müssen: dass nämlich die realen Dollar-Zinsen wieder fallen und die „Sicherheit“ von Dollar und US-Staatsanleihen eine Illusion ist. Also seien Sie wie die Zentralbanker, wenn es um den ‚Risk-Free“-Status geht, und folgen Sie ihren Taten, nicht ihren Worten.
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